Übergabe des Bundesverdienstkreuzes an Delio Miorandi, Kandidat für Comites Frankfurt.

 Unser Interview mit Delio Miorandi, der am 19 Februar im Landratsamt Groß-Gerau für sein sozio-politisches Engagement zum Wohle der italienischen und deutschen Gemeinschaft eine hohe öffentliche Auszeichnung erhalten hat –Miorandi, Dipl. Sozialarbeiter, der seit 40 Jahren für die Landsleute in Rüsselsheim und Umgebung tätig und bei den bevorstehenden Wahlen des Comites Listenführer der Liste Nr. 3 „Eurocittadini“ im Zuständigkeitsbereich des Generalkonsulates Frankfurt/M. ist.

 Herr Landrat Enno Siehr hat Ihnen  am 19 Februar im Landratsamt Groß-Gerau das Bundesverdienstkreuz überreicht, die letzte Auszeichnung einer langen Serie...

 Miorandi: Ja, die erste offizielle Auszeichnung habe ich vom Bischof von Mainz, Herrn Kardinal Lehmann, 1987 erhalten, die Ehrenurkunde der Katholischen Kirche und des Caritasverbandes.

Im gleichen Jahr erhielt ich den Ehrenbrief der Stadt Raunheim für die besonderen Verdienste um die Stadt Raunheim, in der ich wohne. 1988 bekam ich den Ehrenbrief des Landes Hessen und 1991 verlieh mir der Präsident der Republik Italien Cossiga den Verdienstorden der Republik Italien.

 Jetz das Bundesverdienstkreuz. Weshalb? Was ist der Grund und der Sinn dieser Anerkennung?

 Miorandi: Es wird nicht für die Arbeit, die einer leistet, verliehen, sondern für das Engagement, das über die berufliche Arbeit hinausgeht – also es wird der ehrenamtliche Einsatz gewürdigt.

Ich habe mit 12 Jahren begonnen, mich in meiner Freizeit zu engagieren und zwar in der Pfarrei z.b. beim Sammeln von Lumpen, Alteisen und Glas. Mit dem Erlös wurde den Obdachlosen geholfen. Ich habe mein Engagement in der Jugendbewegung ACLI der Diözese Trient fortgesetzt, wo ich bis zu meiner Auswanderung im August 1959 Vorsitzender war.

Während meines Soziologie-Studiums an der Goethe-Universität in Frankfurt begann ich die Landsleute in den Baracken zu besuchen.

Im September 1962 wurde ich Sozialarbeiter setzte mich innerhalb des Caritasverbandes in der Mitarbeitervertretung ein, deren Vorsitzender ich von 1967 bis 1989 war. Regionalsprecher war ich von 1978 bis 1996 ebenso Mitglied der nationalen Tarifkommission.

In den 70er Jahren war ich Mitbegründer der italienischen Familienvereine von Rüsselsheim, Bischofsheim und Kelsterbach.

In den 80er Jahren war ich Mitinitiator der Ausländerbeiräte in Rüsselsheim, Ginsheim-Gustavsburg und Kelsterbach.

Von 1971 bis 1974 habe ich eine mehrsprachige Beilage in der Tageszeitung „Main-Spitze“ die „Gazetta Europea“ herausgegeben.

Bei den Verschwisterungen Raunheim - Trofarello(Turin) und Stockstadt/Rhein - Villa Lagarina(Trient) habe ich aktiv mitgewirkt.

Von 1991 bis 1999 war ich Vorsitzender des Pfarrgemeinderates  der Italienischen Katholischen Gemeinde von Rüsselsheim und seit 1992 bin ich Vorsitzender der EUROPA-UNION des Kreisverbandes Groß-Gerau.

1997 wurde ich zum Mitglied des Comites gewählt.

 Und hier halten wir einen Augenblick an. Mir scheint, dass sie sich das Kreuz, das Ihnen heute verliehen wird, im Einsatz verdient haben. Wie bewerten sie in Anbetracht ihres Engagements im Comites, die in diesem Gremium gemachten Erfahrung oder was denken sie über die Arbeit des Comites?

 Miorandi: Das Comites, dessen Legislatur demnächst zu Ende geht, setzt sich in seiner Mehrheit aus Personen zusammen, die weit entfernt von meinen Ansichten und Art der Arbeitsweise sind. Es ist ein geschlossener Kreis mit einer sehr bürokratischen Vision, beschränkt auf das italienische Ambiente. Ich sehe Comites als ein Gremium, das von den Landsleuten das Mandat erhalten hat, um deren Interessen zu vertreten und geeignete Wege zu finden, diese voranzutreiben. Abgesehen von einigen Versammlungen ist nichts geschehen. Man hat sich auf die allgemeine Verwaltung beschränkt, das Minimale, das vom Gesetz vorgesehen ist, um die Finanzierung zu bekommen, ein reines Vegetieren ohne Planung und Visionen weit entfernt von der Wählerschaft.

Es ist notwendig, neue Freiräume für Aktivitäten zu schaffen unter Einbeziehung der deutschen Massenmedien, damit die Forderungen direkt das Image unseres Landes berühren, womit die Erfolgschancen vergrößert werden.

 

Wenn ich sie also richtig verstanden habe, bewerten sie die Arbeit der aktuellen Comites-Führung als sehr mangelhaft. Aber sie kandidieren nicht nur, sondern sind auch der Listenführer der Liste Nr. 3 „Eurocittadini“. Welches sind ihre Beweggründe, sich nochmals auf dieses Abenteuer einzulassen? Was nehmen sie sich konkret vor und welche Chancen sehen sie für eine Änderung?

 

Miorandi: Kurzfristig sind die Zahlen wichtig, und dass aus diesen Wahlen eine andere Mehrheit hervorgeht, die für die vorstehend beschriebenen Forderungen sensibel ist. Für uns „Eurocittadini“ ist es wichtig, mit Verbänden, Vereinen und Gruppen zusammenzukommen, das Internet zu nutzen – wir haben auch bereits ein Web-Site eingerichtet: www.eurocittadini.de - mit der Absicht, eine große Anzahl von Landsleuten zu überzeugen, nicht nur zu wählen, sondern uns auch zu unterstützen und anzuspornen, diese Änderungen herbeizuführen.

Langfristig, wenn im Comites eine neue Mehrheit entsteht, wird eine neue Seite aufgeschlagen. Es wird ein neues politisches Gremium entstehen, das an die Wurzeln der Probleme herangehen und sie sichtbar machen wird, nicht um sie in die bekannten sterilen Bahnen zu lenken, sondern um neue Formen der Kommunikation, des Ausdrucks und der Durchsetzung zu finden. Neben dem großen Erfahrungsreichtum der Senioren sind die neuen Generationen menschliche Ressourcen, die kulturell und beruflich qualifiziert, ohne Sprachprobleme und bereits in der sozio-ökonomisch-politischen Gesellschaft integriert sind (Ausländerbeiräte, Gemeinde- und Kreistagsgremien etc.), also fähig sind, in einer interkulturellen Gesellschaft zu agieren.

 Diese Kompetenzen wirkungsvoll nutzen zu können, ist sicherlich eine gute Basis, um eine fruchtbare Arbeit zu leisten. Welche sind die Bereiche, in denen die  Arbeit des Comites konkret ansetzen könnte?

 Miorandi: Die Schule, die Information, die Familie, die konsularische Dienstleistung, die Integration, die Gefangenen.

Hessen hat mehrere italienische Dozenten qualifiziert, deren Kompetenzen aufgewertet werden, um die Kurse zu verbessern, die Integration im deutschen Schulsystem zu fördern, damit die Chancengleichheit zunächst in der Schule und dann in der Berufsschule gewährt wird.

Wenige wissen was Comites ist, auch weil es keine Informationen gibt. Es sollen neue Kommunikationskanäle mit den in Deutschland lebenden Landsleuten geschaffen werden, unsere Landsleute sollen über die Arbeit des Comites informiert, sowie in Debatten und Lösungsfindungsprozesse einbezogen werden. .

Die Doppelbelastung der Frauen innerhalb und außerhalb des Hauses muss durch eine gerechte Verteilung der Aufgaben in der Familie überwunden werden, damit eine höhere Beteiligung und Einbeziehung der Frauen im sozio-politischen Kontext erleichtert wird.

Die Diplomatie in Europa ist überholt. Die Konsulate benötigen Manager, die sie zur Funktionsfähigkeit führen. Jetzt sind sie nicht in der Lage, weder die alten Bedürfnisse noch die neuen Herausforderungen der Bürger zu befriedigen, besonders weil sie nicht ausreichend Personal haben.

Die andauernde Abschiebung unserer Landsleute ist nicht akzeptabel, und auch die Lebensumstände der schwachen Mitglieder unserer Gemeinschaft sollten näher betrachtet werden.

Comites sollte nicht nur ein Vertretungsorgan sein, sondern auch eine Integrationsbrücke schlagen. Die Identität der Landsleute muss gefördert werden, aber in Richtung einer europäischen Identität, um sich aus dem Ghetto der Hilflosigkeit zu befreien. Wenn Comites in den gleichen Konditionen und in den aktuellen Händen bleibt, ist es verurteilt, eine wilde Pflanze, die keine Früchte trägt, zu sein.

Tobia Bassanelli.de.it.press.